Dienstag, 06 Mai 2025 15:45

Arzt in Berlin wegen versuchten Mordes angeklagt

Versuchter Mord Versuchter Mord pixabay/Foto illustrativ

Ein schwerwiegender Fall medizinischer Fahrlässigkeit erschüttert Berlin: Ein 78-jähriger Anästhesist steht wegen des Todes einer Patientin nach einer fehlerhaften Narkose vor Gericht. Der Prozess gegen Dr. Todor D. wirft zahlreiche Fragen zum Umgang mit medizinischer Sorgfaltspflicht, Dokumentation und Aufklärung auf. Der Mediziner muss sich wegen Körperverletzung mit Todesfolge und versuchten Mordes durch Unterlassen verantworten.

Inhaltsverzeichnis:

Fehlerhafte Narkose bei Eingriff in Kreuzberger Praxis

Der Vorfall ereignete sich im Januar 2020. Die 59-jährige Patientin sollte in einer orthopädischen Praxis im Berliner Stadtteil Kreuzberg unter Vollnarkose eine Spritze gegen Rückenschmerzen erhalten. Der bulgarisch-deutsche Anästhesist Dr. Todor D. wurde für den Eingriff hinzugezogen. Laut Staatsanwaltschaft habe er zentrale medizinische Maßnahmen unterlassen.

Das verpflichtende Aufklärungsgespräch über Risiken und Alternativen zur Vollnarkose fand nicht statt. Auch eine gültige Einwilligung lag nicht vor – lediglich die Tochter der Patientin hatte das Formular unterschrieben, ohne dazu bevollmächtigt zu sein. Kurz nach Beginn der Narkose kam es zu einem Atem- und Herzstillstand.

Versäumnisse und fehlende Überwachung

Der Angeklagte soll während der Narkose keine Überwachung der Vitalfunktionen durchgeführt haben. Weder Sauerstoffsättigung noch Blutdruck oder Herzfrequenz seien kontrolliert worden. Aufgrund des Übergewichts der Patientin wäre eine Sauerstoffzufuhr notwendig gewesen. Stattdessen erlitt sie nach 18 Minuten einen Herzstillstand.

Die Folgen waren dramatisch:

  • 7 bis 8 Minuten lang keine Sauerstoffversorgung
  • Schwerer hypoxischer Hirnschaden
  • Eintritt in ein Wachkoma

Die Reanimation führte nicht zur Wiederherstellung des Bewusstseins. Die Patientin starb Wochen später in einem Berliner Krankenhaus an einer Lungenentzündung infolge eines Krankenhauskeims und einer Coronainfektion.

Ermittlungen durch Polizei und Staatsanwaltschaft

Beim Prozessauftakt schwieg Dr. Todor D. Seine Verteidiger unterbanden eine Aussage. Der leitende Ermittler schilderte stattdessen auffällige Ungereimtheiten. So seien wichtige Unterlagen wie Anamnesebogen und OP-Bericht zunächst verschwunden gewesen. Erst auf Nachfrage seien sie durch die Praxis nachgereicht worden.

Dr. D. konnte keine Abrechnung des Eingriffs vorlegen. Er behauptete, keine erhalten zu haben und aus Rücksicht nicht nachgefragt zu haben. Besonders schwer wiegt jedoch der Verdacht der Vertuschung: Der Arzt soll der eintreffenden Notärztin keine Informationen über die vorangegangene Behandlung gegeben haben. Dadurch habe diese keine gezielte Notfallversorgung einleiten können.

Mordvorwurf durch Unterlassen

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Arzt versuchten Mord durch Unterlassen vor. Es bestehe der Verdacht, dass er gezielt Informationen zurückhielt, um eigenes Fehlverhalten zu verschleiern. Der Tod der Patientin sei vorhersehbar und vermeidbar gewesen.

Trotz der schweren Anklagepunkte befindet sich der Mediziner nicht in Untersuchungshaft. Nach dem ersten Verhandlungstag verließ Dr. Todor D. das Gericht als freier Mann. Der Prozess am Landgericht Berlin ist zunächst auf 13 Verhandlungstage bis Mitte Juli angesetzt.

Die zentralen Vorwürfe im Überblick

  • Keine ordnungsgemäße Aufklärung der Patientin
  • Fehlende Einwilligung zur Vollnarkose
  • Keine Überwachung der Vitalparameter
  • Unterlassene Sauerstoffzufuhr bei Risikopatientin
  • Verdacht auf bewusste Vertuschung gegenüber Notarztteam

Der Fall wirft ein Schlaglicht auf schwerwiegende Versäumnisse im medizinischen Alltag. Das Verfahren wird mit Spannung verfolgt.

Quelle: Berliner Zeitung